Platz vier bei der Europameisterschaft in Italien und damit Qualifikation für die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr in England: Die Blindenfußball-Nationalmannschaft schaut auf ein erfolgreiches Turnier zurück. Im Interview spricht Nationaltrainer Martin Mania über das Vordringen in die europäische Spitze, die Ziele für die WM und den anstehenden zweiten Spieltag in der Blindenfußball-Bundesliga.
Martin Mania, mit Platz vier bei der Europameisterschaft hat sich die Blindenfußball-Nationalmannschaft für die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr in Birmingham qualifiziert. Wie fällt Ihr Fazit nach dem Turnier aus?
Martin Mania: Wir werden noch eine umfassende Analyse machen. Aber die klarste Erkenntnis ist, dass wir in der europäischen Spitzengruppe angekommen sind. Wir haben unser großes Ziel erreicht und uns für die WM qualifiziert. Darüber sind wir sehr glücklich. Bitter ist allerdings, dass wir bei der Euro sowohl im Halbfinale gegen Frankreich als auch im Spiel um Platz drei gegen England im Sechs-Meter-Schießen verloren haben. Es ist schon schade, dass wir uns an dieser Stelle nicht belohnen konnten.
Im Halbfinale haben nur wenige Sekunden zum Einzug ins Endspiel gefehlt.
Mania: Da ist schon etwas Wehmut dabei, da wir tollen Offensivblindenfußball geboten haben. Wir waren ganz nah dran und kassieren dann einen extrem unglücklichen Treffer, mit dem sich Frankreich ins Sechs-Meter-Schießen rettet. Frankreich hat sich dann den Titel gegen die Türkei gesichert. Das wäre für uns auch möglich gewesen. Insofern ist meine Gefühlslage im Rückblick etwas zwiegespalten.
Wie sehen Sie den Fortschritt im Vergleich zur Euro 2019, als Deutschland Rang sieben belegt hat?
Mania: Damals war ich noch nicht als Trainer tätig, sondern als Guide dabei. Der offensichtlichste Fortschritt ist bei den erzielten Treffern zu sehen. 2019 haben wir insgesamt fünf Tore geschossen, diesmal waren es 14 Treffer. Damit hatten wir gemeinsam mit der Türkei die beste Offensive des Turniers. Das ist sehr erfreulich, weil wir viel an der Offensive und den individuellen Fähigkeiten unserer Spieler gearbeitet haben.
Warum hat es in den Sechs-Meter-Schießen nicht geklappt?
Mania: Wir haben in beiden Begegnungen keinen Versuch verwandelt. Da muss man dann klar sagen, dass wir es auch nicht verdient hatten. Aber wir haben eine junge Mannschaft. Die Spieler werden aus diesen Erfahrungen lernen und es beim nächsten Mal besser machen. Diesen Druck kann man im Training nicht simulieren. Solche Situation muss man erlebt haben. Oft gehen aus solchen Niederlagen große Mannschaften hervor. Genau das ist auch meine Hoffnung. Ich bin wirklich zuversichtlich. Wir haben noch viel Luft nach oben. Bei anderen Topnationen ist es eher so, dass sie ihre Leistung zu konservieren versuchen, weil sie viele ältere Spieler im Kader haben.
Wie sehen Sie also die Perspektive im Hinblick auf die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr?
Mania: Wir werden dann erst zum zweiten Mal auf dieser Bühne dabei sein und uns mit den besten Mannschaft der Welt messen. Das ist nochmal eine ganz andere Hausnummer. Ich denke dabei natürlich vor allem an die Brasilianer, die seit Jahren alles dominieren. Aber auch auf Argentinien, Kolumbien, China, Japan, den Iran, Marokko und einige weitere freue ich mich sehr. Wir haben ja selten bis nie die Möglichkeit, Begegnungen gegen asiatische, afrikanische oder südamerikanische Konkurrenten zu bestreiten. Das sind genau die Gegner, die wir brauchen, um weiter zu kommen. Wir stellen uns gerne dem Wettkampf auf höchstem Niveau. Wir sind dafür bereit. Da kann alles passieren. Klar ist, dass wir auch bei der WM für Furore sorgen wollen. Und vielleicht schaffen wir auf diesem Weg auch noch die Qualifikation für die Paralympics 2024 in Paris.
Wie wichtig ist auf Ihrem Weg weiter nach oben im internationalen Blindenfußballgeschehen die Unterstützung durch die DFB-Stiftung Sepp Herberger?
Mania: Sehr wichtig, weil sich durch die Zusammenarbeit für uns neue Möglichkeiten ergeben. Ich denke beispielsweise an die Unterstützung durch Tina Theune und Silke Rottenberg sowie das Trainingslager vor der Europameisterschaft, das durch die Kooperation möglich wurde und uns wirklich sehr viel gebracht hat. Vorher hatten wir nie die Gelegenheit, über einen so langen Zeitraum die Mannschaft zusammen zu haben. Das war auf jeden Fall ein wichtiger Faktor für unser gutes Abschneiden. Wenn wir uns und den deutschen Blindenfußball nachhaltig weiterentwickeln wollen, brauchen wir diesen starken Partner im Rücken. Vielen Dank für die tolle Unterstützung!
Am 2. und 3. Juli geht nun zunächst die Blindenfußball-Bundesliga mit einem Spieltag in Soest weiter. Wie sehen Sie dort die Lage?
Mania: Am ersten Spieltag ist noch nicht viel passiert, weil von den Topteams nur Marburg bereits im Einsatz war. Der FC St. Pauli und Stuttgart werden nun erst eingreifen. Ich bin selbst gespannt was passiert. Ich gehe aber davon aus, dass wir spannende Duelle um die deutsche Meisterschaft zwischen diesen drei Teams erleben werden. Ich freue mich darauf. Eine gute Bundesliga ist logischerweise das Fundament für unsere Arbeit bei der Nationalmannschaft.