Auf dem Domplatz in Magdeburg endet an diesem Samstag die Saison der Blindenfußball-Bundesliga. Im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft treffen der MTV Stuttgart und der FC St. Pauli aufeinander (ab 15.00 Uhr). Für die Schwaben und deren Kapitän Alexander Fangmann (35) wäre es ein sagenhaft siebter Titelgewinn. Im Interview ordnet der Rekordnationalspieler die Chancen für sein Team ein. Außerdem erklärt das Kuratoriumsmitglied der DFB-Stiftung Sepp Herberger, wie sich der Blindenfußball in Deutschland entwickelt hat.
Alexander Fangmann: Ja, das würde ich im Rückblick auf die bisherige Saison schon so sagen. Ich bin der Meinung, dass St. Pauli und wir die beste Spielanlage hatten und nun verdient den Titel gegeneinander ausspielen werden.
Fangmann: Wir haben eine kuriose Serie, die uns aber gleichzeitig auch große Hoffnung macht. Wir sind 2017 Fünfter geworden und haben 2018 den Titel geholt. 2019 sind wir erneut Fünfter geworden. Nach dem Gesetz der Serie ist es ja klar, dass wir jetzt wieder an der Reihe sind und den Titel holen wollen (lacht).
Fangmann: Wir haben ja gegen den FC St. Pauli in dieser Saison schon mit 0:2 verloren. Das haben wir nicht vergessen. Dieses Finale ist nun eine Chance zur Revanche für uns. Ich gehe davon aus, dass es ein hochklassiges und enges Duell geben wird, bei dem am Ende Kleinigkeiten über Sieg und Niederlage ausschlaggebend sein werden. In der Qualifikationsrunde konnten wir uns gegen St. Pauli nicht viele Torchancen herausarbeiten. Ich hoffe, dass wir es nun besser machen werden.
Fangmann: Definitiv. Zu Beginn der Geschichte der Blindenfußball-Bundesliga hat sich der Verein oft auf einem der letzten Plätze wiedergefunden. Seit 2017 stehen sie immer im Finale, immer als Sieger der Qualifikationsrunde. Vor drei Jahren konnten sie die deutsche Meisterschaft gewinnen, die letzten beiden Male sind sie nur ganz knapp gescheitert.
Fangmann: Sie sind vor einigen Jahren mit einer sehr jungen, aber talentierten Mannschaft gestartet. Inzwischen sind diese Spieler gut und erwachsen geworden – man denke nur an Jonathan Tönsing Mit dieser Erfahrung haben sie mittlerweile richtig Qualität im Kader. Es dauert nun mal einige Zeit, bis etwas Zählbares herauskommt. Diese Geduld haben sie bewiesen. Sie sind eine verschworene Truppe, die uns sehr gefährlich werden kann.
Fangmann: Erstmal sind wir den Ligaträgern sehr dankbar dafür, dass wir die Saison überhaupt spielen konnten. Uns ist bewusst, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Vor diesem Hintergrund war es echt super.
Fangmann: Für uns war der Lockdown im März ein harter Schlag. Wir hatten gerade damit begonnen, uns auf die neue Saison vorzubereiten. Und dann ging von dem einen auf den anderen Tag nichts mehr. Das war wirklich krass. Auf einmal konnten wir gar nichts mehr machen. Das war kompliziert, auch für mich persönlich. Da haben wir alle gemerkt, wie wichtig der Fußball für uns ist. Im Rückblick kann ich sagen, dass uns die ganze Sache zusätzlich zusammengeschweißt hat. Wir haben während der Coronapause niemanden verloren. Als wir endlich wieder trainieren konnten, waren alle wieder da – und die meisten sogar noch motivierter als vor dem Lockdown. Aber man hat auch gemerkt, dass wir etwas Zeit gebraucht haben, um wieder das alte Niveau zu erreichen.
Fangmann: Nach mehr als zwei Monaten Pause war es natürlich auch für mich zunächst schwierig. Ich bin froh, dass ich bis jetzt verletzungsfrei durch die Saison gekommen bin. Mir ist es natürlich wichtig, dass wir in Magdeburg den Titel holen. Aber ich blicke auch immer etwas über den Tellerrand hinaus und versuche, den Blindenfußball in Deutschland weiter zu pushen. Wir müssen noch mehr blinde Sportlerinnen und Sportler für den Fußball begeistern. Wir müssen den Nachwuchs stärker fördern.
Fangmann: Einerseits, weil die medizinische Versorgung in Deutschland zum Glück immer besser wird und es deshalb weniger blinde Menschen bei uns gibt. Aber andererseits ist es nicht selbstverständlich, dass die nicht-sehenden Kinder und Jugendlichen automatisch den Weg in den Fußball finden. Der Schritt dorthin ist sogar sehr kompliziert, weil das Freizeitangebot heute vielfältig ist. Wir müssen immer wieder Überzeugungsarbeit leisten und mit großer Eigenmotivation vorangehen.
Fangmann: Fußball war schon als Kind mein Hobby. Mit acht Jahren bin ich dann erblindet. Aber ich hatte einen starken Freundeskreis, der mich nicht fallen gelassen hat. Wir haben Wege gefunden, so dass ich weiter mit ihnen Fußball spielen konnte. Dafür bin ich sehr dankbar. Der Fußball hat mir im Leben bisher unglaublich viel gegeben.
Fangmann: Ich versuche, den Blindenfußball voranzubringen. Ich bin seit 2006 dabei, also praktisch von Anfang an. Ich weiß noch sehr genau, mit welchen Schwierigkeiten wir zu kämpfen hatten. Heute sind wir auf einem guten Weg. Aber es geht logischerweise immer noch besser. Dafür arbeite ich und dafür spiele ich. Grundsätzlich ist mir der Teamgedanke beim Fußball am wichtigsten.
Fangmann: Beim Blindenfußball spielt das Alter zum Glück nicht die ganz große Rolle. Ich kenne einige sehr gute Blindenfußballer, die über 40 Jahre alt sind und noch zu den besten Spielern in ihrem Land zählen. Ich habe mich bei dem Thema noch nicht festgelegt. Ich spiele so lange, wie es mir Spaß macht und es mein Körper und mein berufliches und privates Umfeld zulassen. Im Moment fühle ich mich topfit.
Fangmann: Weil ich hinter den Themen der Stiftung stehe. Ich habe gemerkt, dass meine Meinung geschätzt wird und dass ich etwas bewirken kann. Das macht mich glücklich. Gemeinsam können wir viel Positives erreichen. In der Sepp-Herberger-Stiftung kommen Persönlichkeiten aus den verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens zusammen. Als ich das erste Mal bei einer Sitzung vor Ort war, saß ich plötzlich mit Otto Rehhagel und Uwe Seeler an einem Tisch. Ich habe großen Respekt, was diese Persönlichkeiten durch und für den Fußball geleistet haben und immer noch leisten. Und wenn wir gemeinsam etwas für Menschen erreichen können, die im Leben vielleicht nicht immer Glück hatten, dann ist das einfach super.